Die letzte Nacht war durch den Biergarten unter meinem Fenster zwar etwas kurz, ich wache dennoch erfrischt und hinreichend gestärkt auf, um den heutigen Tag mit seinen Anforderungen anzugehen. Und diese Anforderungen haben es in sich:

Wir beginnen mit DEM Lieblings-Alpenpass der Motorradfahrer: Dem Stelvio.
Was für ein Anblick! Für die einen furchteinflößend, für andere eine Reise wert und für wieder andere das Non-plus-ultra der Alpenpässe. Jetzt ist vielleicht auch klar, weshalb ich auf der Abfahrt um 8:00 Uhr bestanden habe. Das hat geklappt, die Straßen sind soweit frei und wir kommen ohne Probleme zum Einstieg bei Prad, wo sich Wolfgang mit mir von den Anderen verabschiedet, um “etwas zügiger” hinauf zu fahren. Es hat sich wirklich gelohnt, so früh aufzustehen, wir müssen nur einen Bus auf der gesamten Strecke überholen, und dieser hat uns schon kommen gehört und brav Platz gemacht. Danke nochmals an den Fahrer! 🙂

Selbst jetzt, beim Verfassen des Berichts, bekomme ich noch eine Gänsehaut beim Gedanken an die  Parforcetour durch die 48 Kehren, den gewaltigen Anstieg von 915m bei Prad bis hin zum Gipfel auf 2.757 m. Mein armes Monster zeigt eine leicht erhöhte (Öl-) Temperatur, die Reifen sind endlich mal warm, und rund um die Auspuffrohre steigt ein leichter Nebel auf. Irgendwo ganz unten tauchen die anderen auf, sie hatten das Pech, dass sich ein Auto vor sie gesetzt hat, das nur schwer zu überholen war.

Irgendwie sieht man uns allen an, dass wir glücklich sind. Die einen sind glücklich, weil es ein geiles Erlebnis war, die anderen darüber, dass sie die Strapazen hinter sich gebracht haben.

Und manche sind glücklich, weil alles einfach perfekt ist. Selbst die Schneeliebhaber sind noch auf ihre Kosten gekommen. Ende Juni!

Irgendwann hat sich jeder wieder erholt, und wir machen uns auf die Weiterfahrt. Allerdings nehmen wir nicht die übliche Weiterfahrt Richtung Bormio, nein, wir fahren über den Umbrail- und den Ofenpass in Richtung Zernetz.

Der erste Teil des Umbrail von der Passhöhe hinunter ist in beklagenswertem Zustand, steil, alt, der Teer ist aufgebrochen. Kurz danach kommt die Besonderheit des Passes: Eine rund 3 km lange Strecke ist ungeteert, je nach Wetter kann das etwas unangenehm werden. Entweder zieht man eine Staubwolke hinter sich her oder man muss aufpassen, dass man im Schlamm nicht ausrutscht. Wir aber schaffen alles problemlos und können gesammelt den Anstieg den Ofenpass hinauf in Angriff nehmen. Schöne, langgezogene Kurven und ab und zu eine Serpentine stellen auch die schweren Motorräder vor keine großen Probleme.

In Zernetz geht es dann nach Südwesten Richtung Sankt Moritz, wir aber biegen vorher in Madulain rechts ab auf den Albula. Die Straße beginnt eng und holprig, wird dann aber schön breit und gut ausgebaut. Einige Serpentinen würzen den Aufstieg, der in einem großen Geröllfeld endet.

Wir halten nur kurz an, um den Moment zu dokumentieren, und fahren dann durch eine wunderschöne Landschaft auf einer leider immer noch sehr holprigen, schmalen Straße mit engen Kurven hinunter nach Bergün und weiter nach Alvaneu Bad.

Dort biegen wir nach links ab, um in Tiefencastel die Straße zum Julier zu nehmen. Der Anfang der Straße ist gefährtlich. Sehr breit, hervorragend ausgebaut, langgezogene Kurven: Das ideale Revier für graugekleidete Herren mit Laserpistolen in den Händen! Hinter einigen Dörfen beginnt der richtige Spaß: Die Straße wird schmal und kurvig, und erst nach ein paar weiteren Dörfern kommt man wieder auf eine typisch schweizer Straße: Sie sieht aus wie gestern gebaut. Die Strecke führt in verlockenden Kurven an einem Stausee entlang, bevor sie ab Bivio in den hochalpinen und leider auch schlechteren Ausbauzustand übergeht. Ab der Passhöhe geht es dann relativ schnell und unspektakulär hinunter nach Silvaplana.

In Silvaplana sehen wir am Straßenrand ein typisches Touristen-Restaurant, was uns nichts desto trotz zum Mittagessen animiert. Und wirklich: Es hat sich gelohnt. Das Essen hat richtig gut geschmeckt, und die Preise waren trotz der Nähe zu Sankt Moritz sehr annehmbar. Wir haben in der Schweiz wirklich schon erheblich schlechter gegessen.

Der See animiert dazu, hier einmal mehr als einen Nachmittag zu verbringen. Vielleicht ergibt sich ja einmal eine Gelegenheit.

Aber kalt ist es halt doch irgendwie…

Für uns geht es jetzt weiter auf breiten, hervorragend ausgebauten Straßen über den Malojapass nach Chiavenna, wir haben die Schweiz also schon wieder verlassen. Kurz hinter Chiavenna habe ich mir für die Mutigen unter uns ein Schmankerl ausgedacht. Beim Planen der Strecke ist mir ein Ortsname aufgefallen, der ohne direkte Verbindung auf einem Berghang zu finden ist: Foppo. Schon der Name klingt gut, irgendwie abenteuerlich. Und als ich dann in die Karte hineinzoomte, kam die wohl witzigste Straße zum Vorschein, die man sich vorstellen kann:

Auf eine Strecke von 12km geht es genau 1.000 Meter hinauf. Die Straße ist gerade einmal zwei Meter breit, wenn ein Auto entgegenkommt muss einer anhalten, nicht einmal auf dem Motorrad kann man einfach vorbeifahren. Die Kurven sind eng, teilweise ohne Überhöhung einfach an den Hang geklatscht. Und obwohl es Juni ist, liegt überall schon Laub, feuchtes Laub um genau zu sein. Man kann also nie wissen, ob man hinter der nächsten Kurve nicht einfach ausrutscht. Aber irgendwann sind wir oben angekommen und können die grandiose Aussicht genießen. Na ja, die Aussicht sieht man nicht von ganz oben, sondern nur von einzelnen Haltepunkten unterwegs, und ganz nach oben haben wir uns nicht getraut, weil doch ziemlich offiziell aussehende Schilder uns den Weg versperrten. Allerdings fragte uns ein vorbeikommenden Italiener, warum wir nicht weiter gefahren wären, die Schilder könnte man einfach vergessen. Auf der anderen Seite muss man wissen, dass hinter dem Berggipfel wieder die Schweiz beginnt, und mit deren Zöllnern wollten wir uns halt nicht anlegen.

Der Rest der Etappe ist schnell erzählt: An einem See ohne aufregende Landschaft entlang, komplett unter Geschwindigkeitsbeschränkung mit vielfältigen fest installierten Fotoapparaten, einen zweiten See entlang durchgehend durch Ortschaften, bis wir schließlich unser Hotel erreichen. Die Einfahrt liegt direkt hinter einem Tunnelausgang, es gibt keine Hinweisschilder, ein Gehweg oder eine Einbuchtung ist nicht vorhanden, wodurch ich beim ersten Mal einfach vorbeifahre. Also heißt es umdrehen, durch den starken Verkehr wieder zurück zu der Einfahrt, und dort erst einmal die Mopeds abstellen.

Was man hier nicht sieht: Zwischen See und Hotel führt die Hauptstraße entlang…

Das Hotel Sole in San Siro ist der Mittelpunkt eines ganzen Urlaubsparks mit zwei unterschiedlichen Campingplätzen, einem großen Zeltplatz und eben dem Hotel. Wir reservieren uns für das Abendessen einen Tisch und ziehen uns erst einmal zurück, um uns auszuruhen. Nach dem Abendessen gibt es dann noch einen kleinen Spaziergang den See entlang, allerdings sind wir doch so müde, dass wir sehr zeitig den Matrazenhorchdienst antreten.

Jetzt hätte ich beinahe das Höhenprofil vergessen…

Heut’ geht’s mir gut! 😎

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