Einmal im Jahr treffen wir uns mit Freunden, die genau wie wir häufig unterwegs sind und mit denen wir deshalb auch nur mittel- bis langfristige Termine ausmachen können. Aus diesem Grund suchen wir uns für unsere Treffen besondere Orte oder Restaurants aus. Man muss sich halt auch einmal etwas gönnen.

Dieses Jahr fiel die Entscheidung auf Jean-Georges Kleins Restaurant “L’Arnsbourg” im idyllischen Zinsel-Tal im Elsass. Ich muss gestehen: Ich kannte vor diesem Besuch weder den Namen des Restaurants noch den von JG Klein. Dabei ist L’Arnsbourg schon länger sternebewehrt: Die Mutter hat sich den ersten erkocht, Stern Nummer zwei (1998) und drei (2002) kamen dann mit Cathy und Jean-George Klein.

Schon die Anfahrt zu dem Restaurant ist ein Freude, insbesondere wenn das Wetter mitspielt und man bei Sonnenschein durch die Ausläufer der Vogesen gleiten kann. Erst durch das Sauertal, anschließend von Zinswiller aus durch das Zinseltal, bis das große rote Haus auftaucht: L’Arnsbourg. Rechterhand liegt das zum Restaurant gehörige Hotel “K”, in dem wir leider keine Zimmer bekommen hatten. Auch hier ist es inzwischen so, dass man eher einen Platz im Restaurant bekommt als im Hotel. Was hier besonders problematisch ist, weil es kaum andere Hotels im Umkreis gibt. Oder man sucht vorher einen Teilnehmer der Veranstaltung aus, der die Rolle des Fahrers übernimmt und demgemäß nichts oder nur sehr wenig trinkt. Leider hat mich dieses Los getroffen…

Da wir wussten, dass das “normale” Menü rund vier Stunden zur Zubereitung braucht, waren wir pünktlich zur Öffnung des Restaurants um 19:30 vor Ort. Als Aperitiv wurde uns neben einem Kir Royale, einem Grünen Veltliner sowie einem Hauscocktail ein Rose-Champagner angeboten, den wir auch alle nahmen.

 

Und dann kam die Speisekarte: Zwei Menüs – das Menü Decouvert sowie das Menü Saveur – sowie die einzelnen Komponenten der Menüs als Einzelspeisen standen zur Auswahl, nach einem Blick auf die Karte war aber allen sechs Teilnehmern klar, dass wir das Menü Decouvert wählen:

Eine Sammlung von Amuse

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Ouverture

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Gänseleber in Textur

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Tomatenvariation, Mozzarellanocken,
Basilikum, Consommé von Datterino Tomaten

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Wolfsbarsch, Gelee von Kumquats,
Holunderblüten Vinaigrette

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Hummer, Kichererbsenbonbon,
Yuzu und Schaum vom Eisenkraut

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Wagyu-Rind “degré 9”, Pont-Neuf- Kartoffeln,
Sauce Bearnaise und Kombu

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Cappuccino von Mais und Feta

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Intermezzo

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Kleine Gaumenfreuden

 

Ist unsere spontane Entscheidung für dieses Menue nicht verständlich? Schon die Zusammenstellung der Zutaten deutet auf außergewöhnliche Geschmackserlebnisse hin, und wenn man dann noch weiß, dass JG Klein gerne experimentiert und auch den Methoden der Molekularküche nicht abgeneigt ist, dann konnte man mit dieser Auswahl nichts falsch machen. Wenn die Küche nichts falsch macht…

 

Die Sammlung von Amuse Gueule bereitet uns mit ihrer Vielfalt so richtig auf den Abend vor. Salzig, süß, bitter, sauer, fest, flüssig, kalt, heiß: Alle Aggregatzustände und Geschmacksrichtungen sind zu finden, und doch sind sie so dargereicht, dass man sich auf jede Einzelne einstellen und somit auf das “richtige” Essen vorbereiten kann.

Als Begleiter des Menues habe ich uns als Weißwein einen 2008er Auxeroix, als Rotwein einen 2005er Pomerol ausgesucht (nein, ich kann nicht mehr über die Weine sagen, die Weinkarte war so groß, dass ich einfach nach dem Menü und der Weinsorte, nicht aber nach den Produzenten gesehen habe).

Inzwischen war das Restaurant komplett voll, und jetzt war uns auch die extreme Anzahl an Bedienungspersonal klar, über die wir uns beim Eintreten gewundert hatten: Für die schätzungsweise 10 Tische standen mindestens 20 Mitarbeiter zur Verfügung. Diese aber haben ihre Arbeit effektiv und immer sehr zurückhaltend ausgeführt. Und dabei immer wieder einen netten Spruch für uns auf den Lippen gehabt.

Ich werde jetzt nicht durch alle einzelnen Gänge des Abends gehen, statt dessen werde ich mir einzelne Speisen herausnehmen und unsere Anmerkungen dazu darlegen. Beginnen wir mit der Gänseleber in Textur: Die Gänseleber wurde hier in Form von goldenen Linsen dargereicht, eingebettet in Meersalz und Sesamsamen, begleitet von einem Rieslingeis sowie einer klassischen Gänseleberpraline mit Brotkruste. Für mich stellte das die Essenz der Gänseleber dar, ich bin der Ansicht, dass man es kaum besser machen kann. Aber an unserem Tisch gab es auch die gegenteilige Meinung: Wie könne man eine so gute Zutat wie eine Gänseleber so sehr verändern, ja fast vergewaltigen! Man sieht: Über Geschmack lässt sich nicht streiten, entweder ein Gericht schmeckt oder es schmeckt nicht.

Göttlich waren die nächsten drei Gänge: Die Tomatenvariation war endlich einmal eine Variation mit Überraschung: Unter der ersten Lage kam eine zweite zum Vorschein, eine weiße Consommé von Datterino-Tomaten mit kleinen Mozzarellakügelchen [siehe Bild].

 

Der Wolfsbarsch war genau so, wie ein Fisch sein soll (ohne fischig zu sein!), und der Hummer mit der Erbse in Traubengröße (hier kamen wieder einmal Spuren der Molekularküche zum Vorschein) waren göttlich. So gut kann Essen sein.

Und dann kam die Hauptspeise. Wagyu Rind “degré 9”, Pont-Neuf-Kartoffeln, Bearnaise und Kombu. Klingt doch klasse. Wir hatten uns ein Steak vorgestellt (auch wenn das nicht unbedingt in ein solches Restaurant passt), dem nette Beilagen zur Seite gestellt waren. Was dann aber kam waren zwei kleine Stückchen Rind, Pommes und Bearnaise. Banal. Und noch dazu offensichtlich viel zu lange unter dem Salamander stehen gelassen. Das Fleisch war komplett durchgebraten, keine Spur mehr von der feinen, selbst zerfallenden Konsistenz eines Kobe-Rinds, die Pommes waren zu salzig, alleine die Bearnaise hatte eine unnachahmliche Konsistenz, die auch schon in der tomatisierten Hollandaise bei der Tomatenvariation auf dem Teller zu finden war. Es war essbar, einen Genuss aber stellte es nicht dar. Auf die übliche Frage der Bedienung, ob alles in Ordnung sei, machten wir auf den Zustand des Fleischs aufmerksam, aßen aber trotzdem zu Ende, da es ja – wie gesagt – essbar war.

Sehr verblüfft waren wir dann, als wir als nächsten Gang noch einmal die Hauptspeise serviert bekamen, diesmal aber ohne den Zwischenschritt des Salamanders: Das Fleisch war göttlich zart, trotz der geringen Dicke war es knapp medium, also genau so, wie es sein soll. Trotz allem aber ist und bleibt die Zusammenstellung Steak, Pommes und Sauce banal und gehört eigentlich nicht in ein solches Restaurant.

 

So langsam ging es dann in das letzte Drittel des Menüs über, uns erwarteten Käse und Süßspeisen – wobei wir uns den fakultativ angebotenen Rohmilchkäse gespart haben.

Der Cappuccino von Mais und Feta war klasse, diese Mischung von salzig-scharf (Feta) und süß (Mais) war ein Genuss. Und vor allem kam der Geschmack unerwartet, da man etwas anderes erwartet hatte. Dann aber kamen die geheimen Höhepunkte des Menues: Die Intermezzi und Nachspeisen. Geradezu göttlich das Arrangement von Haptik, Textur und Geschmack, Farbe und Aussehen weisen in eine falsche Richtung, ohne die Information der Bedienung wäre man an mancher Stelle verloren. Besonders ist das bei den “kleinen Gaumenfreuden” der Fall, die ohne Kommentar dargereicht werden, die einzelnen Bestandteile wurden uns erst nach dem Essen genannt. Eine interessante Erfahrung, die mich an ein Wein-Sensorikseminar mit schwarzen Gläsern erinnerte: Rieche an dem Glas und sage mir, was für ein Getränk Du findest… und es muss nicht immer Wein sein.

Beendet wurde der Abend durch einen Espresso, für mich als Weckamin, für die anderen als Zeichen, im Auto sanft einschlafen zu können. Als Rückweg wählte ich natürlich nicht mehr den kurvigen, direkten Weg nach Wissembourg, sondern die längere, dafür aber fast kurvenlose Strecke über Haguenau.

Welches Fazit soll man nach einem solchen Abend ziehen? Trotz des eklatanten Fehlers mit der Hauptspeise ist dieses Restaurant auf alle Fälle eine Reise wert, und wenn man dann auch noch ein Zimmer im Hotel “K” bekommt, steht einem runden Abend nichts im Wege. Im Übrigen stimmt die zeitliche Schätzung mit den vier Stunden für das große Menü: Ziemlich genau um Mitternacht haben wir das Etablissement verlassen.

Die Aufnahmen sind der Homepage des Restaurants entnommen.

Heut geht’s mit gut! 😎

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