Wanderer “Kreuziget ihn! Kreuziget ihn!”
Chor “Wanderer, sage uns, wen wir kreuzigen sollen!”
Wanderer “Denjenigen sollt ihr kreuzigen, der diese Wanderung ausgearbeitet hat!”
Chor “Und weshalb sollen wir ihn kreuzigen?”
Wanderer “Weil er eine Etappe ausgearbeitet hat, die über 40 Kilometer lang ist!”
Chor “Was ist daran so schlimm? Das hast Du doch vorher auch schon gemacht!”
Wanderer “Er hat aber übersehen, dass diese Strecke auch 1.500 Höhenmeter einschließt!”
Chor “Dann ist Dein Wunsch verständlich. Kreuziget ihn! Kreuziget ihn!”
Wanderer “Doch wartet, mir ist da etwas eingefallen…”
Chor “Was willst Du denn noch? Langt es Dir denn nicht, dass wir den Verantwortlichen kreuzigen lassen?”
Wanderer “Aber das ist es ja gerade! Das bin ich selbst, und ich will nicht mehr, dass ihr jemanden kreuzigt!”
Chor “Du willst damit sagen, dass Du dann nicht Gerechtigkeit willst, wenn es Dich selbst betrifft? Du willst ein Recht, das Unterschiede macht? Und wer soll in entscheiden, wem das Recht auf eine andere Auslegung zusteht? Und wer soll das Recht jeweils definieren?”
Wanderer “Ich weiß es nicht, aber vielleicht wird es einmal jemanden geben, der etwas sinnvolles dazu ausrichten wird. Vielleicht ist es ja auch ein Nachfahre von jemandem, den man nicht gekreuzigt hat, obwohl ein Anderer es verlangt hat.”
Chor: “So sei es denn. Du wirst nicht gekreuzigt, und wir hören nicht mehr auf jeden, der dahergelaufen kommt.”

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Mal im Ernst: Die erste Etappe von Pforzheim nach Forbach macht schon Sinn, denn man kann den Wagen in Karlsruhe abstellen, von dort mit der Bahn nach Pforzheim fahren, die Wanderung nach Forbach machen und dann mit der Stadtbahn nach Karlsruhe zurückfahren.

Aber sie geht halt über mehr als 40 Kilometer, und das ist kritisch. Vor allem, wenn man auch noch die Höhenmeter mit einkalkuliert. Und die letzten sechs Kilometer, denn auf diese Entfernung bewegt man sich von 954 Metern bis hinunter auf knapp dreihundert. Das geht gewaltig in die Knochen und vor allem auf die Knie.
Bis zur Wilhelmshöhe läuft man durch eine moderne Kulturlandschaft, also durch die Stadt Pforzheim, Gewerbegebiete, Vororte, Randgebiete und Dörfer. Dann aber beginnt ein langsamer aber stetiger Anstieg, der immer steiler wird, und der einen schließlich hinauf auf den Dobel befördert. Von da an hat man das Schlimmste hinter sich gebracht, von jetzt an geht es nur mit geringen An- oder Abstiegen über fast 20 Kilometer durch eine herrliche typische Schwarzwaldlandschaft. Wiesen und Wald wechseln sich ab, ab und zu kommt man an einer Hütte oder einer Schanze (also einer ehemaligen Befestigung) oder einer Schanze (zum Skispringen) vorbei.

Egal zu welcher Zeit man wandert, man ist bis auf einen Umkreis von 500 Meter um Parkplätze herum immer alleine im Wald, andere Wanderer sind sehr selten. Und alle Leute, die vor ihren Häusern stehen oder die Straße fegen oder denen man begegnet grüßen freundlich zurück. Oder fangen ein Gespräch an. Später kommt man auf dieser Etappe in die Ausläufer der Spuren, die Lothar und Vivian hinterlassen haben (dazu an anderer Stelle mehr), und man wird sich der Urgewalten gewärtig, denen man in der Natur gegenübersteht. Besonders deutlich wird einem das natürlich, wenn man die Gegend vor und nach Lothar kennt, und wenn man einen so markanten Punkt wie den Hohlohturm (oder besser Kaiser-Wilhelm-Turm) als Anhaltspunkt hat. Dieser Turm wurde ca. 1900 gebaut, als der Schwarzwald gerade begann, sich vom Raubbau der verschiedenen Besatzer zu erholen (besonders Napoleon war Gift für den Wald). Die wenigen Illustrationen und Aufnahmen aus der Bauzeit zeigen einen Wald, der den Namen noch nicht verdient, der gerade einmal drei oder vier Meter hoch aufragt. Und dann wurde der Turm – parallel zum Wachstum der Bäume – zweimal erhöht, weil man sonst nichts mehr gesehen hätte. Tannen und Fichten werden nun einmal hoch. Bis 1995 Lothar kam und dem Spuk ein Ende setzte, indem er den kompletten Wald rund um den Turm herum zu Klein- oder besser Totholz machte. Der Turm steht heute alleine auf einer kleinen Anhöhe, ein paar Pionierbäume (Birken, Haselnuss, Linde, Büsche) erobern sich langsam aber sicher die Gegend wieder, durch die Umstellung der Waldwirtschaft von Turbo-Holzerzeugung hin zu natürlichen Mischwäldern ändert sich der Charakter des Schwarzwalds – zumindest in dieser Gegend – wieder hin zu dem, was er früher einmal war. Indizien für dieses frühere Aussehen in Form von uralten, gigantischen und hoffentlich geschützten Buchen und Eichen sind im Übrigen in der Gegend von Wieden in der drittletzten Etappe zu finden.

Leider darf man heute wegen des Naturschutzgebietes “Hohlohsee” den ehemaligen Weg um die beiden Seen herum nicht mehr gehen, hier bietet sich dem Auge ein absolut einmaliges Naturschauspiel. Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Ich hatte das Glück, diese Gegend über rund zwanzig Jahre zu jeder Jahreszeit erleben zu dürfen, zu jeder Uhrzeit, und bei jedem Wetter, es ist immer wieder ergreifend und einen Umweg wert. Selbst wenn man also einen Weg doppelt gehen muss, wenigstens der Abstecher zum großen Hohlohsee (den man noch sehen darf) lohnt sich auf alle Fälle.

Vom Hohlohsee geht es dann über die Prinzenhütte (“Was stehdn do? Prinzehüdde, neunhunderdvierefünfzig Mäder über dem Mähr. Gugge mol, do schlohfe se noch. Solled mer se aufwegge?”) hinunter ins Murgtal. Achtung: Wer nicht so ganz die besten Kniegelenke hat sollte sich VIEL Zeit für diese Strecke nehmen, es geht auf fünf Kilometern knapp 650 Meter hinunter. Zum Glück endet diese lange Eintagesetappe direkt am Bahnhof, so dass man sich einfach in die Stadtbahn nach Karlsruhe fallen lassen kann. Oder. wenn man weiterlaufen will, in eines der vielen kleinen Hotels oder eine der Pensionen.

Heut’ geht’s mir gut! 😎

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