Nach einem (!) gemütlichen Bier verbrachten wir eine geruhsame Nacht, um am nächsten Tag die ersten Pässe unter die Räder zu nehmen. Ich hatte mir absichtlich zur Einstimmung eine Route ausgesucht, bei der es ganz langsam los ging, und dann immer schwieriger wurde.

Von Kriens aus ging es (nach dem obligatorischen Tankstopp) über kleine, kurvige Seitenstraßen vorbei an Obernau über einen (namenlosen?) Minipass von immerhin 950 m nach Malters. Werner hatte anfangs noch etwas Probleme, seine Trude auf Touren zu bringen (oder war es anders herum? 😉 ), aber dazu war ja diese Einschwingphase gedacht: Um herauszufinden, wer welchen Fahrstil bevorzugt, und um die Gruppe einander anzugleichen.

Die nächste Steigerung kam dann mit der “Abkürzung” von Schachen nach Entlebuch.  Diese bot nach dem Weiler Rengg eine steile, enge Abfahrt hinunter zur Kantonsstraße. Dieser folgten wir dann bis nach Thun, wo wir ein gemütliches zweites Frühstück zu uns nahmen. Dort lernten wir auch die Verteidigungsbereitschaft der Schweizer kennen, denn über dem Thunersee übten an diesem Tag zwei Mirage den Tiefflug – ein Szenario, das wir in Deutschland seit einigen Jahren zum Glück nicht mehr kennen.

Die folgende Strecke gehört zum Schönsten, was ich in der Schweiz kennenlernen durfte: Die Strecke am Thunersee entlang von Thun nach Interlaken, zumal bei Sonnenschein, lässt einen richtig neidisch werden. Neidisch auf die Besitzer der kleinen ehemaligen Bootshäuser, die heute Wochenendhäuser sind, neidisch auf die Villenbesitzer oberhalb der Uferstraße, neidisch auf die Urlauber, die dort unbeschwert ihre Zeit verbringen, aber dann sieht man doch auch wieder die Nachteile, die das dortige Dasein mit sich bringt: Verkehr den ganzen Tag (und wahrscheinlich auch nachts), nur eine Straße, um dem Trubel zu entgehen, immer nur steile Berge um sich herum… das Schöne dabei ist aber, dass heute jeder nach seiner Faḉon selig werden kann.

Und so sieht die Straße aus, auf der wir den See entlang gefahren sind:

Interlaken haben wir links liegen lassen, denn ich wusste ja, was da auf uns zu kam. Die nächsten Kilometer nutzten wir noch, um etwas Kräfte zu sammeln, ganz gemütlich ging es am Brienzersee entlang, sanfte Hügel wogten leise am Ufer entlang, und zu unserem großen Glück war die Straße so gut wie leer.

Kurz hinter dem See kamen wir dann durch Innertkirchen, und hier begann der 22km lange Aufstieg zum ersten “richtigen”  Pass des Tages, dem Susten. Schon die ersten Kurven hinter dem Dorf lassen ahnen, was auf einen zukommt,sobald jedoch die Baumgrenze erreicht ist, gibt es kein Halten mehr:

Wir etwas sportlicheren Fahrer drehten auf und meisterten den Gipfel in relativ kurzer Zeit – wozu ist man mit einem kurventauglichen Motorrad unterwegs, wenn man es nicht nutzt? Vor allem, wenn die Straße frei ist? Der Aufstieg macht einfach nur Spaß – etwas anderes kann man nicht sagen. Außerdem war mein Angststreifen zu Beginn der Tour einfach zu breit, daran musste gearbeitet werden. 😉 Den sehenswerten Blick hinunter zum Steingletscher haben wir an diesem Tag ausgelassen, wir wussten ja, dass wir diesen Pass ein zweites Mal befahren werden.

Am Gipfel auf 2.234m machten wir Pause, allerdings nur, um ein paar Aufnahmen zu machen. Die Gipfelklause ist wahrlich nicht einladend…

Die Aussicht zur anderen Seite jedoch entschädigt für die Klause:

Der Abstieg hinunter nach Wassen lässt dann Fahrer von schwereren Motorrädern etwas ins Schwitzen kommen: Die ersten Kurven haben es gehörig in sich, die Steigung erreicht teilweise abenteuerliche 15%.

Der Rest der Rampe ist zum Ausruhen: Ganz gemütlich, nur mit sanften Kurven versehen senkt sich die Straße bis hinunter auf 900m, um dann bis Andermatt wieder auf 1.500m zu steigen. Hier sind wir links abgebogen, den Gotthard haben wir uns für später aufgehoben.

Statt dessen fuhren wir hinauf auf den Oberalp-Pass – was allerdings mit dem herkömmlichen Bild, das man sich von einem Pass macht, wenig zu tun hat. Fast gemütlich führt die Straße parallel zur Eisenbahn hinauf auf  2.035m. Hinter dem Pass jedoch zeigt der Berg, was er in sich hat:

Laut jauchzend und breit grinsend düsten wir diese “kurvenreiche Strecke” hinunter, in solchen Augenblicken vergisst man leicht die Anstrengungen, die in Wirklichkeit dahinter stecken. Die Straße führt hinab nach Dissentis, immerhin ein Abstieg von fast 1.000m, dem wir allerdings ohne Pause den nächsten Anstieg folgen ließen: Den Lucmanier hinauf. Diese Strecke hat keine Höhepunkte, sie geht mit gleichmäßigen 7-8% und fast ohne Kurven hinauf bis auf 1.918m. Trotzdem war es kalt dort oben:

Hinter dem Pass beginnt das Tessin. Es wird mit jedem Meter, den es hinunter geht wärmer, die Landschaft blüht im Vergleich zu dem hochalpinen Braun der Gipfel geradezu auf, die Leute neben der Straße sind immer leichter begleidet, sprich: Wir kommen im Süden an. Ein letztes Mal brechen wir aus der schönen Landschaft aus und nehmen in Aquila eine kleine Straße den Berg hinauf, mir war bei der Planung aufgefallen, dass es hier einen kleinen Pass gibt, der eine schöne Aussicht verspricht. Leider haben wir in Prugiasco die sehr enge Rechtskehre verpasst, so dass uns dieser Anblick verwehrt blieb.  Aber um ehrlich zu sein: Das bisher geleistete Pensum war selbst für einigermaßen trainierte Fahrer hinreichend, und wir hatten ja schließlich auch einen Schreibtischtäter dabei…

Eigentlich hatte ich geplant, in Biasca zu übernachten, leider aber waren in weitem Umkreis keine Zimmer mehr zu bekommen, so dass ich beschloss, diese Etappe in Locarno enden zu lassen. Dummerweise wusste ich nicht, dass sich die letzten 40km bis dorthin genau so zäh hinzogen wie am Tag zuvor die Anfahrt nach Luzern: Hier lohnt es sich, die Autobahn zu nehmen und nicht durch die Dörfer zu fahren.

Unser Hotel lag am Hang oberhalb des Lago Maggiore, mit einer herrlichen Terrasse vor dem Haus, die uns auf die Idee brachte, unser Abendessen dort einzunehmen. Allerdings verließen wir diesen Tisch schon vor dem Essen, denn trotz Tessin und Frühlingsende wurde es mit sinkender Sonne immer kälter. Was durch ein aufziehendes Gewitter noch verstärkt wurde. Von diesem könnte ich jetzt 20 Bilder zeigen, ich belasse es bei zwei:

Den Tag ließen wir gemütlich im Restaurant ausklingen, unsere “Zimmer” (oder soll ich sagen Kaninchenställe?) boten uns keine Möglichkeit für andere Lustbarkeiten. 😉

Wenigstens lief an diesem Abend Snooker, so dass es nicht ganz so langweilig wurde.
Zu guter Letzt kommt hier noch die Streckenkarte:

Heut’ geht’s mir gut!  😎

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