Manchmal braucht es etwas frischen Wind, um einer Institution zu einem zweiten, dritten oder vierten Leben zu verhelfen. Diesen Versuch wagt das Ehepaar Mayer im Kutscherhaus des Weinguts Mugler in Gimmeldingen.

Familie Mayer war vorher in der Kanne in Deidesheim beschäftigt, Frau Mayer im Service, Herr Mayer hat sich um die Küche gekümmert. Insofern kennt man die Qualität schon, die sie abliefern können, spannend wird es, wie sie diese in eigenen Räumen umsetzen können.

Der Eingang ist jedenfalls schon vielversprechend. Wie ein Leuchtturm ragt das Restaurant aus dem ansonsten dunkel vor sich hinschlummernden Gimmeldingen heraus.

Und so einladend wie das Exterieur präsentiert sich auch der Tisch:

Die Speisekarte ist sehr übersichtlich, trotzdem hatten wir Probleme, uns zu entscheiden. Wir haben die einfachste Möglichkeit gewählt, dies zu umgehen: Wir haben uns zusammen getan und einfach die Speisen getauscht. Dadurch konnte jeder alles, zu dem er Spaß hatte, ausprobieren, man hat aber trotzdem nicht zu viel gegessen. Was ja sonst bei einer solchen Unfähigkeit, sich zu entscheiden, leicht passieren kann. 😉

Daher resultierte unsere Vorspeisenbestellung in diesen drei Speisen:

Einer gar köstlichen Kraftbrühe vom Rind mit seinem Tafelspitz,

dem “Winzerbrot”, einem Sauerteigbrot mit gekochtem Rosmarinschinken, mit Münsterkäse gratiniert und begleitet von einem Feldsalat sowie

einem Tagesgericht, Garnelen mit Wacholderschinken, Feldsalat und Frischkäse.

Alle drei Vorspeisen bestätigten die Erwatungen, die wir in die Küche gesetzt hatten. Die Brühe hätte die Bezeichnung “Consomme double” verdient, das Winzerbrot hatte so gar nichts mit einer Pfälzer Zwischenmahlzeit zu tun und die Garnelen waren absolut auf den Punkt gegart. Also ganz einfach: “Mission completed“.

Begleitet wurden diese Speisen von einem 2009er Chardonnay Spätlese trocken (na ja, was heute so trocken heißt…), der keine Probleme hatte, gegen die ausgewogenen Geschmacksnoten der Vorspeisen zu bestehen. Logischerweise kommen die Weine aus dem Weingut Mugler, zu dem das Kutscherhaus gehört.

Für die Hauptspeise wurde uns dann ein 2010er Weißburgunder Kabinett trocken empfohlen (auch hier steht ein großes Fragezeichen hinter dem “trocken”), der einen würdigen Begleiter für die kommenden Genüsse darstellte.

Es gab

Scheiben und Tatar vom Räucherlachs mit Kapernäpfeln und “Döppekuche”, also Kartoffelkuchen,

das typischste aller Pfälzer Gerichte, den hinreißend gewürzten Kastanien-Saumagen mit Feigenkompott und Wirsing-Kartoffelgemüse,

einen Feldalat mit Balsamessig, Bio-Edelkastanienhonig, roter Beete, Quitte und Nüssen, bei dessen runder Geschmacksvielfalt auch ein eingefleischter Carnivore zum Teilzeit-Vegetarier mutieren kann,

das klassische Kutscherhausgericht Rinderhüftsteak mit Röstzwiebelbutter, Ofenkartoffel und einen kleinen Feldsalat (der hier nicht abgebildet wurde),

einen geschmorten Bug vom Pfälzer Glanrind (gibt es denn die Glanrinder auch außerhalb der Pfalz?), mit Steckrüben-Kartoffelgemüse und

Rosenkohl. Ich habe selten einen Bug gegessen, der so lange geschmort wurde, dass er auf der Zunge zerfiel, aber immer noch soviel Eigengeschmack besaß wie dieser hier. Der Rosenkohl wurde zur Freude aller Beteiligten sozialisiert, und auch die anderen Gerichte wurden rund um den Tisch ausprobiert; sie fanden generell Zusprache. Ein Sondervotum muss ich für das Hüftsteak abgeben: Ich mag mein Steak normalerweise “nur ganz kurz an der Pfanne vorbeigetragen”, das hier präsentierte Steak war gut medium, exakt auf den Punkt gegart, es hatte Biss und war doch extrem zart. Wenn es nicht so saftig gewesen wäre, hätte man fast den Verdacht des Einsatzes eines Steakers haben können. Einfach Sonderklasse.

Etwas verblüfft war ich über die Sauce, die nahezu unverändert an Saumagen, Bug und Hüftsteak zu finden war. Und es wäre dem Essen nicht abträglich gewesen, wenn die Teller vorgewärmt gewesen wären. Aber das ist angesichts der sonstigen Qualität nur eine Marginalie. Um es klar zu sagen: Das Essen war durch die Bank hervorragend, auf den Punkt richtig gegart, genau richtig gewürzt, und auch die Menge war richtig gewählt.

Wir waren satt, keine Frage, aber gewisse Formulierungen aus der Speisekarte spukten uns noch im Kopf herum, und so wählten wir als Nachspeise:

Ganz klassisch die Rohmilchkäseauswahl von Muh und Mäh mit hausgemachtem Früchtesenf und Pfälzer Urkruste (wobei der hier gewählte Senf nicht gepasst hat),

ein hausgemachtes Schokoladenmousse mit Orangen-Zimtsahne (das als erste der Nachspeisen komplett verputzt war),

ein Hagebuttensorbet mit Rieslingsekt brut (einsame Spitze!) sowie

einen Weckspatz mit Apfelragout und Vanilleeis. In profaneren Speisekarten ist das unter “arme Ritter” zu finden. 😉

Es ist klar, dass dieses Essen durch einen Espresso abgeschlossen werden musste.

Mein Fazit? Wie oben schon gesagt wurden die gehegten Erwartungen zu 100% bestätigt, ausnahmslos alle Speisen haben gut geschmeckt, ohne die Eigenständigkeit aufzugeben, der Service war unauffällig, stets im Hintergrund, aber immer präsent, und unsere Wünsche und Anforderungen wurden jeweils prompt und zu unserer Zufriedenheit erledigt. Hier waren wir sicher nicht zum letzten Mal.

Heut’ geht’s mir gut! 😎

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