Früher war alles besser. Früher gab es nur zwei oder drei Moppeds, die für mich zur Auswahl standen. Ich wollte ein Naked Bike haben, mit hinreichend Power, agil, um die Straßen des Pfälzer Walds unsicher zu machen, aber auch in der Lage, Gepäck für ein verlängertes Wochenende mitzuführen. Eine Reise-Enduro kam wegen der fehlenden Agilität nicht in Frage. Egal, ob es die V-Strom mit dem genialen Motor der TL1000 oder die Varadero war, die passten alle nicht. Genauso wenig die ursprüngliche Tiger, die zu hoch, zu ungeschlacht daher kam.

Letzte Woche bin ich bei Moto-Plus in Karlsruhe vorbeigefahren, um mir ein paar gebrauchte Nackte anzusehen. Und da sah ich neben einer Aprilia Shiver und der genau so interessanten Street Triple die neue Triumph Tiger 1050 stehen. Nicht mehr die Wuchtbrumme von früher, fast schon graziös steht sie da. Nicht mehr diese übertriebene Verkleidung des Vorderbaus, vielmehr ein gut integrierter Windschutz umhüllt da die Front des Motorrads. Dies ist nicht mehr die riesige Reiseenduro, dies ist eine schöne, fast nackte Fahrmaschine.

Von vorne wirkt sie sogar richtig aggressiv, von der früheren Sitzhaltung in Augenhöhe mit den LKW-Lenkern ist nichts mehr zu finden.

Zum Glück war ich auf eine Probefahrt eingestellt, Lederklamotten, Handschuhe, Stiefel und Helm lagen im Kofferaum. Während ich mich umzog wurde an der Tiger das rote Nummernschild befestigt, so dass ich mich sofort zu einer zweistündigen Fahrt durch den nördlichen Schwarzwald aufmachen konnte. Leider musste ich vorher erst noch durch den chaotischen Verkehr der Karlsruher Innenstadt hindurch. Wer weiß, wie Karlsruher Auto fahren, weiß, was ich meine. 😉 Aber immerhin war das gleich eine gute Gelegenheit, das Verhalten der Tiger im Stadtverkehr und beim langsam fahren kennen zu lernen. Was mir hier negativ auffiel (und das sollte sich auch bis zum Ende der Tour nicht ändern) war die gewaltige Kraft, die die Kupplung benötigt. Gerade im Stadtverkehr ist das  relevant, denn auf der Landstraße braucht man die Kupplung eh’ nur noch zum Herunterschalten. Die Sitzhöhe allerdings stimmt, sie gibt Sicherheit beim Stop-and-Go-Verkehr.

Dann war ich endlich auf der L605 unterwegs nach Ettlingen, um dort über die B3 ins Albtal zu fahren. Dies gab mit die Gelegenheit, dem nun warmen Motor das erste Mal die Sporen zu geben. Gut zieht sie los, absolut spurtreu trotz der Längsrillen und des doch recht heftigen Winds von Süden. Und auch das Gegenteil überzeugt: Brachial können die Bremsen zupacken, immer hervorragend dosierbar. Zwei Finger langen in den meisten Fällen, um die Tiger verlässlich abzustoppen. Mit etwas mehr Einsatz kann man auf trockenen Straßen das Hinterrad auch zum Abheben bringen. Das aber wollte ich denn doch auf dieser Fahrt nicht zum Exzess betreiben.

Hinter Marxzell kommen endlich die kleinen Nebenstraßen, die unter der Woche den Einheimischen gehören, auf denen man Motorräder und ihre Eigenheiten richtig ausprobieren kann. Hier zeigt die Tiger, dass sie inzwischen nicht mehr zu den Enduros zu zählen ist, dass sie ganz im Gegenteil ein vollwertiger Konkurrent der nackten Zunft ist. Leichtfüßig geht sie um die Kurven, eine einmal gewählte Linie behält sie absolut spurtreu bei, noch nicht einmal aggressives Bremsen oder abruptes Gasgeben stören den Fluß. Es ist mir bisher noch nie passiert, dass ich nach rund 40 Minuten auf einem mir vorher unbekannten Motorrad einen Kontakt zwischen Angstnippeln und Straßenbelag herstellen konnte (oder wollte). Mit diesem Bike aber war das geradezu spielerisch möglich, schon in der ersten engeren Kurve ertönte ein vertrautes Kratzen von unten.

Die Kröpfung des Lenkers passt wunderbar zu meiner Sitzhaltung, an der Bank aber müsste ich etwas machen. Zu indifferent ist die Sitzkuhle,  für meinen Geschmack gibt sie mir zu wenig Halt. Damit hängt auch der Winkel zusammen, um den meine Beine aufgespreizt werden. Leider viel zu weit vom Fahrer entfernt ist das Mäuseklavier für die Bedienung des “Bordcomputers”, um zwischen den verschiedenen Informationen hin- und herschalten zu können. Was mich aber richtig stört – auch wenn es sich nur um eine richtige Kleinigkeit handelt – ist die Verkleidung des Auspuffs auf der rechten Seite, die meinen Fuß in einen Winkel zwingt, der mir einfach nicht passt. Das fällt so lange nicht auf, so lange man den Mittelfuß auf der Raste stehen hat. Ich aber fahre im allgemeinen mit dem Vorderfuß auf der Raste, und dann stört es. Vielleicht lag das daran, dass das mir zur Verfügung gestellte Motorrad schon einen heftigeren Unfall hinter sich gebracht hatte (unter anderem war die Gabel verzogen und die Verkleidung gerissen), das werde ich aber auf einer weiteren, längeren Probefahrt, die wahrscheinlich eine ganze Woche umfassen wird, feststellen. Irgendein Händler in der Nähe meines Wohnorts wird mir sicher eine unfallfreie Maschine vermieten. Denn soviel ist klar: Dieses Bike macht Spaß, es hat mir das Grinsen ins Gesicht gemeiselt, und das nicht nur auf den kurvigen Hinterlandstraßen, sondern später auch auf der B36, auf der ich das Gas so lange stehen lies, bis der Tacho irgend etwas anzeigte, das mit “22” begann. Aufrecht sitzend, ohne allzu angestrengte Halsmuskeln. Ich will allerdings nicht wissen, wie dann der Verbrauch aussieht. Der Tank hat nur 20 Liter Fassungsvermögen, wenn man von 6 Litern auf 100 Kilometer ausgeht, kommt man also auf eine theoretische Reichweite von 300 Kilometern. Das passt für eine Etappe.

Was allerdings meinem Fahrstil nicht entsprach ist die Einstellung von Federung und Dämpfung. Dies ist aber durch die volle Einstellbarkeit des Fahrwerks unproblematisch.

Mein Fazit? Was ein Ärger! Ich war davon ausgegangen, dass sich die Zahl der Kaufkandidaten im Laufe der Zeit verringert, stattdessen kommen immer mehr Bikes dazu, die mit voller Berechtigung laut “HIER” rufen. Durch die Tiger werden allerdings die Präferenzen etwas verschoben, die Shiver und die Striple müssen sich jetzt mit Platz zwei und drei zufrieden geben. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es für die Tiger die eine oder andere legale Möglichkeit gibt, die Leistung auf das Niveau der Speed Triple anzuheben. Mal sehen, wann ich mich endlich entscheiden kann.

Auf der anderen Seite ist ja die Vorfreude die schönste Freude, und dies ist einer der Gründe, weshalb ich auch die nächste Zeit mit dem Ausprobieren von verschiedenen Konzepten und Motorrädern verbringen werde.

Heut’ geht’s mir gut! 😎

 

PS: Das Copyright für alle Fotos liegt bei Triumph

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