Auf dem Weg zwischen Hotel und Kunde bin ich vor Kurzem in Erfurt am Hotel Radisson SAS vorbeigekommen, und dort sah ich eine Werbung für die Sportsbar. Also entschloss ich mich, dort abends einmal vorbeizusehen. Gestern war es dann soweit.

Das selbstgewählte Motto des Restaurants lautet “creative dining”. Klingt doch richtig gut. Oder? Irgendwie sehe ich hier eine Umgebung vor mir, in der den Gästen entweder durch die Küche oder den Service etwas geboten wird.

Als ich das Radisson SAS betrat, hatte ich einen Flashback. Nein, ich habe nicht zuviel gekifft, aber ich war 1989 nach der Maueröffnung das erste Mal in Erfurt, und ich hatte die Ehre, damals – ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich glaube – im “Interhotel” zu nächtigen. Ein Hochhaus aus Platten mitten in der Stadt, die Eingangshalle war eine mit Fliesen ausgelegte Bahnhofshalle, in der große Sitzgelegenheiten aus verchromtem Stahl mit Kunstleder herumstanden, auf denen sich bepelzte Russe (ja, damals schon!) Zigarren rauchend und Wodka trinkend fläzten. Die Russen sind nicht mehr da, die habe ich letzte Woche in Sankt Moritz und Baden-Baden getroffen, aber der Bodenbelag hat sich nicht geändert, und der Eindruck einer Bahnhofshalle wird auch durch die mühsam aufgestellten Raumteiler nicht gemildert.

Eine Sportsbar ist eine typisch amerikanische Einrichtung, in der auf mindestens acht Bildschirmen mindestens vier verschiedene Sportprogramme ohne Ton laufen, während aus den Lautsprechern entweder Country- oder Rockmusik kommt. Es gibt eine lange Theke, an der man als Einzelperson oder sonstwie Kontaktfreudiger sitzen kann, es gibt aber auch kleinere oder größere Tische, an die man sich als Gruppe verziehen kann. Pool und Kicker sowie eine Dartscheibe dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Und dann gibt es die Erfurter Version der Sportsbar: Man nehme zwei Raumteiler aus dem letzten Schäfer-Katalog (dort sind es Metaplan-Wände…), die man in die Bahnhofshalle stellt, stelle zwei Ständer mit Langlaufski auf, hänge zwei Plakatwände mit Bildern von Biathleten auf, packe ein Dutzend Resopaltische (auch aus dem Schäfer-Shop-Katalog) dazwischen, platziere kunstvoll zwei mit voller Lautstärke agierende Großbildfernseher mit Premiere an die Wände und nenne das Ganze “Sportsbar”. Mit dem Motto “creative dining” und einem Pelikan als Maskottchen.

Womit wir wieder am Anfang meiner Geschichte heute sind: Creative Dining. Hier ist der Gast gefordert, kreativ zu sein. Nicht nur, dass man sich in dem zugigen Ambiente die ganze Zeit bewegen muss, um nicht zu frieren, man muss auch kreativ sein, um aus dem ganzen Convenience-Zeugs, das einem serviert wird, herauszufinden, was es eigentlich sein soll. Ich habe nichts gegen Convenience-Food, so lange es das Richtige ist und das auch noch richtig eingesetzt wird.

Ich habe mir als Vorspeise Nachos – mit Käse überbacken und von drei Saucen begleitet – bestellt, die Hauptspeise sollten Potato Skins mit Speckwürfeln sein. Kann man da etwas falsch machen? Man sollte meinen, dass nicht. Aber: Die Käsesauce über den Nachos bestand aus dem gelben, amerikanischen, in Tuben erhältlichen Käse, der noch nie eine Kuh gesehen hat, die Sour Cream entpuppte sich als Frühlingsquark von Milram, der offensichtlich schon am frühen Morgen portioniert worden war, die Salsa kam aus der Produktion von Nadler, und da ich bisher keine fremdproduzierte Guacamole gegessen habe, kann ich leider nicht sagen, wer der Hersteller dieses Geschmackskonglomerats war.

Die Potato Skins – die herrlich schmecken können, ich kann hier nur die von TGI Fridays empfehlen! – entpuppten sich als eine große gebackene Kartoffel, in die zwei Löffel Frühlingsquark gepackt wurden und über die eine Spur an Käse kam (wobei mir nicht klar ist, was für ein Käse das war, er war schlicht geschmacklos). Über alles waren zwei Scheiben Frühstücksspeck von Janssen gelegt – natürlich nicht kross gebraten, sondern ungegart. Das Ganze wurde dann bis zum Servieren unter den Salamander gestellt – oder war es gar nur die Wärmelampe für den Service? Immerhin sahen die drei Paprikawürfen, die als Beilage dabei waren, so aus, als hätten sie zwischen Dose und Teller auch einmal eine Pfanne gesehen. Oder gibt es inzwischen blackend pepper in der Dose?

Dass das Flaschenbier ein Ablaufdatum hatte, das nur kurz in die Zukunft zeigt, rundete das Bild des Erlebnisses ab.

Fazit: Um dieses “Restaurant” kann man nur einen großen Bogen machen. Und damit mein Motto auch stimmt: Heut’ geht’s mir gut, weil ich genau weiß, dass ich hier sicher nie mehr hingehen werde! 😎

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