Es gibt doch tatsächlich eine Untersuchung von Steven Stack und Jim Gundlach (“The Effect of Country Music on Suicide”, Social Forces, September 1992), die nachweist, dass Anhänger von Country-Musik einem erhöhten Selbstmordrisiko unterliegen. Diese Studie ist mir vor kurzem wieder eingefallen, als ich mehrere Tage durch den Schwarzwald gewandert bin. Da ich alleine unterwegs war, hatte ich den MP3-Player eingeschaltet und die Kopfhörer aufgesetzt. Und weil ich schon länger keine Countrysongs mehr gehört hatte, habe ich den Player auf das Genre “Country” eingestellt. Nach 8 Stunden Country-Musik konnte ich die Studie voll und ganz nachvollziehen. Alkohol-Probleme, verschmähte Liebe, Gedanken an frühere Zeiten (Those were the times, my friend… doch davon später mehr!), Scheidung, Missbrauch in der Ehe, Kindesentzug, Einsamkeit, Wut usw. usw.
Diese Songs – massiert gehört – können einen labilen Menschen sicher in die Verzweiflung oder in Depressionen senden. Selbst die an sich ganz witzigen Songs von z.B. den Dixie Chicks stellen da keine Ausnahme dar: Auch hier geht es um Mord, Eifersucht, Einsamkeit und ähnliches. Nur eben besser verkleidet. Trotzdem ist dies eine meiner Lieblingsgruppen.

Aber irgendwann hat es auch mir gelangt, und ich habe mir die neueste CD von Amy Winehouse angehört. Nicht dass die Texte andere Inhalte hätten, ganz im Gegenteil: Die Titel “You Know I’m No Good”, “Addicted”, “Wake Up Alone” und “He Can Only Hold Her” sagen eigentlich schon alles: Auch hier dreht es sich nur um Einsamkeit, Wut und Trauer. Amy hat es aber geschafft, diese Inhalte so in die Musik einzubetten, dass nur die Musik wichtig ist, die Texte aber komplett in den Hintergund treten.
War Amy auf der ersten CD “Frank” noch das kleine, unschuldige Mädchen vom Lande, das stark vom Jazz beeinflusst war, hat sie sich jetzt zur verruchten Barqueen gemausert. Ihr Stil geht jetzt mehr hin zum Soul und Pop der 60er Jahre. Faszinierend der Bläsersatz im ersten Titel, dessen Uptempo-Beat einem irgenwie bekannt vorkommt. Diese Bläsersätze finden sich noch auf “Just Friends” oder “Me And Mr. Jones”. Toll gemacht auch das Zusammenspiel zwischen dem Klavier und der Streichergruppe im Titelsong mit einem wunderbar gesetzten Hintergundchor. Wie gesagt, die Texte spielen hier keine große Rolle, was einzig Eindruck macht ist die Stimme von Amy und die hervorragend darauf abgestimmte Musik. Dieses Albim wird bei mir sicher nicht in der Versenkung verschwinden.
Noch eine Anmerkung am Rande: Selten habe ich eine so gute Marketingmaschine erlebt wie bei dieser CD: Wenige Monate vor der Veröffentlichung fiel Amy Winehouse wegen eines angeblichen Alkoholexzesses auf. Kurz darauf kamen Drogen hinzu, angebliche Ausfälle krönten das Ganze. Dass sie allerdings täglich in einem Gym ein straffes Fitness-Programm durchzieht (man vergleiche dazu einfach mal die Photos von vor zwei Jahren mit denen von heute) wird dabei von der Yellow Press geflissentlich übersehen. 😉 Wenn alle Jazzmusiker eine solche Aufmerksamkeit gekämen, bräuchte man sich wahrlich keine Gedanken um den Fortbestand dieses Genres zu machen.

Heut’ geht’s mir gut! 😎

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