8:30, Nonnenhorn, Sonnenschein. Alle Rechnungen sind bezahlt, alle Teilnehmer stehen bei ihren Bikes, selbst Grumpy (nein, das ist gemein, ein Teilnehmer ist einfach nur ein absoluter Morgenmuffel) hat es geschafft. Alle Teilnehmer? Nein, bei mir hat sich die Hotelchefin etwas Zeit gelassen, ausgerechnet ich komme heute zu spät. Aber auch nur 2 Minuten.

Bei den Vorbereitungen der Tour hatte ich mich darauf gewappnet, dass wir drei Tage lang nicht in einer Fünfergruppe, sondern in einem endlosen Strom von Bikes durch die Gegend gondeln würden. Diese Befürchtung hat sich bis jetzt nicht bewahrheitet, die anderen meinen allerdings, dass der heutige Montag mit der Tour den nördlichen Bodensee entlang und dann quer durch den Schwarzwald motorradlastig werden könnten. Und prompt begegnen uns dann auch im Morgengrauen die ersten beiden Maschinen, sie werden aber auch für lange Zeit die letzten sein. Wir wissen bis heute nicht, wo die anderen an Pfingsten überall ‘rumgefahren sind.

Aber auch der Autoverkehr hält sich in Grenzen, was sicher auch daran liegt, dass wir auf Nebenstraßen fahren und Bundesstraßen nur für kurze Verbindungen nutzen. Das Cruisen durch die Landschaft macht so viel Spaß, dass ich mit der genügsamen, sparsamen Stripple überhaupt nicht auf die Idee komme, dass jemand vielleicht tanken muss. Mit der Folge, dass in Pfullendorf an der Tanke bei der Harley eine Restfahrstrecke von knapp 20 km angezeigt wird. Die K1200S hat gar nichts mehr angezeigt… und ich habe gerade 12 Liter getankt. Nicht schlecht. Oder?

Ab Sigmaringen ging es dann westwärts die junge Donau entlang. Auf einer wunderschön geschwungenen, gut ausgebauten Bundesstraße haben wir die erste und zum Glück einzige größere Überholaktion eines Motorradclubs mit rund 30 Maschinen hinter uns gebracht. Die sind mit nur mit 80 km/h gefahren, so dass wir fünf problemlos vorbeikamen.

Und dann kommen die landschaftlich schönsten Kilometer, die man sich vorstellen kann:

Teilweise kommen die Felsen bis an die Straße heran, einer begann ungefähr drei Meter daneben, und genau dieser Felsen wurde zum Klettern benutzt… auch ein gefährlicher Sport. An anderen Stellen wird die Straße durch Tunnel oder Laubengänge geführt, die so schmal sind, dass jeweils nur ein Fahrzeug durchpasst. Leider hatte ich keine Kamera griffbereit, sonst hätte ich die eigenen Fotos hier eingestellt. So muss ich mich mit fremden Aufnahmen begnügen, die aber trotzdem das Tal in seiner ganzen Pracht zeigen.

Ein Blick von oben, der Lust macht auf eine Fahrt im Zeppelin NT (aber dazu brauche ich einen Sponsor!):

Und noch eine Aufnahme, die die ganze Pracht aus der Perspektive der Straßenbenutzer zeigt:

Seufz. Ich will da wieder hin…

Aber selbst die schönste Landschaft muss zurückgelassen werden, und um den Verlust nicht allzu groß zu machen, habe ich eine Strecke gewählt, die einen wahrlich entschädigt: In Thiergarten geht es rechts den Berg hoch, innerhalb von einem Kilometer knapp 300 Höhenmeter hinauf nach Stetten am kalten Markt. Klasse Kurvenkombinationen, auf der Stripple richtig gut zu fahren, für die Harley “etwas schmal”. Anschließend gab’s zur Belohnung eine Pause, diesmal in Heinstetten.

Und die Pause ist auch nötig, denn jetzt kommt eine zwar landschaftlich schöne, aber auch anstrengende 80-km Liaison nach Glatten bei Freudenstadt. Auf der wir interessanterweise immer noch nur sehr wenige Motorradfahrer sehen… In Glatten gab’s Mittagessen. Bemerkenswert war, dass es auch heute noch Restaurants gibt, in denen man als Motorradfahrer nicht bedient wird. Na ja, heute geht das politisch klüger: “Die Küche ist voll ausgelastet, Sie müssen ganz lange warten, bis wir Sie bedienen können…” Wollte ich ein Wortspiel machen, würde ich sagen, dass das dem Tag die “Krone” aufgesetzt hat.

Nun, wir haben verstanden und sind statt dessen auf die andere Straßenseite in das Hotel und Restaurant Waldhorn gegangen.

Es gab den ersten richtig guten Spargel in diesem Jahr, man muss halt doch in Richtung Baden gehen, um gut zu essen. 😉

Von jetzt an kenne ich die Straßen wieder, etwas weiter nördlich bin ich aufgewachsen, und in dem einen oder anderen Ferienjob hatte ich auch die Gelegenheit, die Straßen tags und nachts zu durcheilen. Aber in den letzten 30 Jahren hat sich doch einiges geändert, überall sind Kreisverkehre entstanden, komplette Bundesstraßen sind heute an Stellen, an denen man früher quer durch Innenstädte musste. Nach dem Abbiegen von der B28 hinter Dornstetten ging es über toll ausgebaute, wie für das Motorrad geschaffene Strecken nach Erzgrube, wo wir endlich feststellen konnten, wo sich die ganzen Biker aufhalten: Beim Seeheiner in Erzgrube an der Nagoldtalsperre. Ich will jetzt hier nicht übertreiben, aber ich gehe schon davon aus, dass dort rund 400-500 Bikes geparkt waren. Wir aber fuhren weiter, wir hatten ja noch einiges vor uns, und irgendwann langt es einfach. Außerdem hatten wir ja gerade erst zu Mittag gegessen.

Ab Enzklösterle kamen die wirklich bekannten Strecken, und ab Sprollenhaus war es ein Heimspiel. Die L76b hinauf zum Kaltenbronn und dann weiter über Reichental nach Hilpertsau bin ich früher mindestens zweimal pro Woche gefahren: Wir hatten eine Hütte mitten im Wald in der Nähe des Kaltenbronns, und dort haben wir auch ab Ostern jedes Wochenende und alle Ferien verbracht.

Nur war früher alles ganz anders, denn Vivian und Wiebke (1990) und besonders Lothar (1995) haben ganze Arbeit geleistet, heute findet man niedrige Mischwälder, wo früher hohe Monokulturen aus Fichten standen, der Blick kann auch vom Boden aus schweifen, wo man früher durch die Bäume eingeengt wurde.

Näheres oder Weiteres zu diesem Thema habe ich hier verarbeitet.

Auf der Abfahrt vom Kaltenbronn nach Reichental haben wir den ersten und einzigen Motorradunfall dieses Tages gesehen, auch in den Zeitungen wurde nicht weiter über dieses Wochenende berichtet. Das zeigt vielleicht, dass die Motorradfahrer inzwischen doch etwas mehr denken, bevor sie Gas geben.

Auf der B462 war denn doch so viel Verkehr, dass ich mich in Obertsrot kurzfristig entschlossen habe, die Tour zu ändern und über die Klingelstraße und das Schloss Eberstein auf einer kurvigen Waldstraße nach Baden-Baden zu fahren. Leider konnte ich die Anderen nicht zu einer Einkehr bei Bernd Werner überreden. Ein Andermal vielleicht.

Nach einer kurzen Tankpause in Baden-Baden (diesmal war es rechtzeitig und auch geplant!) ging es über den Zubringer und den Rhein ins Elsass, und von dort aus über die schon auf dem Hinweg benutzte Industriestraße (inzwischen A35) und die A65 zurück an unseren Startort.

Soll man, muss man, kann man ein Fazit ziehen? Ja. Obwohl wir uns als Motorradfahrer nur teilweise gekannt haben, obwohl es eine bunte Mischung quer durch die Motorradwelt und die Temperamente der Maschinen war, obwohl es vom Wiedereinsteiger bis hin zum langjährigen Freizeitfahrer alles gab, hat es Spaß gemacht. Keiner hat sich über zu langsames oder zu schnelles Fahren beschwert, es gab keine problematischen oder gar gefährlichen Situationen und auch die Motorräder haben problem- und klaglos (na ja, räusper) die Tour hinter sich gebracht. Und ich finde, auch die Streckenauswahl der alles in allem rund 1.100 Kilometer hat gepasst. Auf das Fahrkönnen, auf die Leistungsfähigkeit der Teilnehmer (wir sind schließlich alles keine allzu sportlichen Typen!) und auf die Zeit, die wir pro Tag in die Tour investieren wollten. Die Übernachtungen haben geklappt, die Hotels waren dem Anlass angemessen, was will man mehr? Mir hat es gefallen, und ich bin mir sicher, dass ich eine solche Tour bald wieder machen werde. Gell, Alexander?

Zum Schluss kommt hier noch das Roadbook dieser Etappe: roadbook-pfingsten-tag-3.txt

Eines hätte ich jetzt beinahe noch vergessen: Mein Fazit zur Street Tripple. Dieses Motorrad ist jeden einzelnen der knapp kalkulierten Euronen wert, den Triumph dafür aufruft. Motor, Fahrwerk, Bremsen, Sitz, Lampen, Verbrauch, alles passt und ist stimmig, mit der ganz kleinen Einschränkung von relativ heftigen Lastwechselreaktionen. Aber daran kann man sich gewöhnen. Insofern wird dieses Motorrad auf meiner Liste einen Platz ganz vorne einnehmen, derzeit ist sie eindeutig auf Platz Eins.

Heut’ geht’s mir gut! 😎

Print Friendly, PDF & Email