Kann man die zehn Finger eines Pianisten durch die acht Schlegel zweier Marimba-Spielern ersetzen? Man kann. Wenn man will. Und man kann es sich sogar anhören. Wenn man sich nicht an der Eigenheit einer Marimba stört, dass zum Halten eines Tons anhaltendes Klopfen mit den Schlegeln notwendig ist. Aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, kann man ein interessantes Musikerlebnis genießen.

Zu der Sammlung an Skurilitäten, die sich um Mussorgskys “Bilder einer Ausstellung” herum gebildet haben (weil jeder Komponist des letzten Jahrhunderts geglaubt hat, er müsste sich an dieses Werk wagen), ist nun eine neue hinzugekommen. Das “German Marimba Duo” hat 2001 – und in einer Neuaufnahme 2005 – seine Version dieses impressionistischen Werks eingespielt. Herausgekommen ist eine weitgehend werkgetreue Interpretation der ursprünglichen Klavierversion von Mussorgsky. Ohne Allüren oder Sperenzchen spielen die beiden Marimbaphonisten Matthias Kron und Andreas Schwarz die klassischen zehn Bilder (wobei die eigentlich zusammengehörigen “Katakomben” und “cum mortuis in lingua mortua” als zwei Stücke dargeboten werden), sauber getragen und verbunden durch die Promenade.

Schwerfällig humpelt der Gnom daher, kaum in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Im “alten Schloss” wird – im Gegensatz zur Klavierversion – eher das Schloss dargestellt als der doch eigentlich agierende, leichtfüssige Troubadour.

In den “Tulerien” dann sieht man durch die Interpretation deutlich die Gouvernanten vor sich, die versuchen, die streitenden Kindern auseinander zu halten.

In Bezug auf den “Bydlo” kenne ich kaum eine Darstellung, die die Schwerfälligkeit des Ochsenkarrens besser darstellt als die bassgetragene Version, die hier geboten wird.

Nicht so leicht wie gewohnt kommen die Kücken daher, die in ihren Schalen – halb geschlüpft – durch die Gegend rennen. Hier ist der sonore Klang der Marimbas eher hinderlich.

Wunderbar gestaltet sich dann aber der Dialog zwischen dem reichen, satten, mit einem Vornamen versehene Samuel Goldenberg und dem armen, halb verhungerten, nur mit seinem Rufnamen ausgestattete Schmuyle. Die am Anfang nebeneinanderher laufenden Gestalten wenden sich immer mehr einander zu und geraten gegen Ende in einen richtiggehenden Disput.

Beim “Marktplatz von Limoges” zeigt sich wiederum die Schwäche der Marimbaphone in den höheren Lagen: Das Keifen der Marktweiber wird erst mit den schrillen Obertönen hörbar, die leider in dieser Version fast komplett fehlen.

Ganz anders und gut zu den Instrumenten passend kommen dann die nächsten beiden Bilder daher, die “Katakomben” als Beschreibung der römischen Totenstadt und “Cum mortuis in lingua mortua”, in der Hartmann, der Schöpfer der beschrieben Bilder, selbst dargestellt wird. Er war ja schließlich kurz vor Entstehung des Klavierzyklus verstorben.

Witzig ist dann die Interpretation des Hexenritts von “Baba Jaga”, die als echte russische Hexe wild durch die Gegend fliegt.

Als Abschluss dann die getragene Darstellung des großen Tors von Kiev. Hier zeigt sich leider, dass den Marimbas die Schärfe fehlt, um die Fülle und Exaktheit einer Architekturzeichnung sauber darstellen zu können.

Insgesamt gefällt mir diese Interpretation gut, sie macht Spaß und wird sicher in das dauerhafte Repertoire der Interpretationen auf meinem MP3-Player aufgenommen werden.

Heut’ geht’s mir gut! 😎

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